ADU-02627,00 EUR
Alfred KoerppenTrio in drei Sätzen
für Violoncello, Klavier, Violine
Das Trio in drei Sätzen für Violine, Violoncello und Klavier wurde 1986 komponiert. Es gehört zu einer Gruppe von Instrumentalkompositionen, die in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre entstanden. Kammermusikalische Werke: Sonate über A-C-D für Klavier (1986), Triospiel für Violine, Violoncello und Klavier (1987), Klavierquartett (1988), Duo über Cis-A-D für Violine und Violoncello (1989), Orchesterkompositionen: 2. Symphonie (1985) und Silvanus, Szene für Orchester. Wie die meisten Stücke dieser Werkgruppe zeichnet sich auch das Trio dadurch aus, dass es eine eigenwillige Formkonzeption entwickelt, ohne jedoch den traditionellen Gattungsanspruch aufzugeben, auf den der Titel verweist.
Die großformale Anlage des Werkes könnte abweichend von der im Titel genannten Dreisätzigkeit auch als fünf- oder einsätzig bestimmt werden. Die drei "Kern"-Sätze werden zum einen durch eingeschobene Intermedien zur Fünfteiligkeit erweitert; andererseits jedoch entsteht durch attacca-Verbindungen dieser fünf Sätze eine Art Einsätzigkeit, die durch die kompositorische Binnenstruktur noch betont wird: Außensätze wie Intermedien sind durch motivische Bezüge, Material-Korrespondenzen und -Reminiszenzen und durch sehr frei gestaltete, aber deutlich wahrnehmbare retrograde Entsprechungen vielfältig miteinander verknüpft. Diesen "inhaltlichen" Bezügen entspricht auf der Ebene der Gesamtform die Gruppierung der Sätze um den gewichtigen und ausgedehnten Mittelsatz, und zwar so, dass eine zyklische Form mit dem zentralen Allegro e misterioso-Satz als Symmetrieachse entsteht.
Beide Ecksätze des Trios sind durch zwei Bewegungscharaktere von äußerster Gegensätzlichkeit geprägt: Ein zehntöniger, hart rhythmisierter Akkordblock, der - einer vorbestimmten Zahlenordnung gehorchend - mit ständig wechselnder metrischer Akzentuierung wiederholt wird, schlägt immer wieder in freie, vorwärtsdrängende Bewegungen um, in die die Akkordschläge von neuem einbrechen. Der schroffe, nicht gelöste oder eingeebnete Gegensatz zwischen den beiden rhythmischen Charakteren, zwischen gleichsam zwanghaftem Verharren "auf der Stelle" und fluider Beweglichkeit, lässt in den Sätzen eine Atmosphäre von expressionistischer Intensität entstehen.
Gegensätzlichkeit und struktureller Kontrast bestimmen auch das Verhältnis zwischen den Außensätzen und den ihnen folgenden bzw. vorangehenden Intermedien. Was sich im ersten und letzten Satz als gestaltet und distinkt zeigt, erscheint in den Zwischenspielen auf die Ebene des kompositorisch Vorläufigen reduziert: auf vereinzelte Töne, Intervalle oder Klänge; auf metrumlose Tonfolgen, die abbrechen oder ins Leere laufen, funktionslos und wie zufällig.
Der zweite Satz Allegro e misterioso, Zentrum des Trios, ist ein bewegtes, wieder "geordnetes" Stück, das - wie seine Vorgänger - durch eine besondere Art des kompositorischen Vorgehens charakterisiert ist. Im Gegensatz zu den Außensätzen scheint es weniger vorgeformt, architektonisch entworfen zu sein, als sich "aus sich selbst heraus" zu entwickeln - ohne Kraftaufwand, ohne Willensanstrengung - in einem gleichsam "natürlichen Wachstumsprozess". Wenn die Faktur der Außensätze sich aus "konstruktiver Phantasie" speist, so scheint der Mittelsatz von einer "vegetativen Phantasie" (Koerppen) beherrscht, von der Idee einer natura naturans. Er ist deshalb auch seiner hermeneutischen Bedeutung nach die musikalische Mitte des Trios - zwischen den einen Raum bloßer kompositorischer Möglichkeiten zeigenden Intermedien und der festen, zu planvoll strukturierter Form verbundenen Gestaltung der Außensätze.

Renate Groth